Inklusion in Planetarien

Wie ODZALA Barrieren überwindet

planetarium sound immersive inklusion sehbehindert sehbehinderung neurodivers klangerlebnis immersiv 360° Raumklang

Planetarien sind magische Orte, die uns die Weiten des Universums näherbringen. Doch während wir zu den Sternen aufblicken, stellt sich eine wichtige Frage: Erreicht diese kosmische Erfahrung wirklich alle Menschen? Wahre Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch – unabhängig von seinen individuellen Fähigkeiten – am kulturellen und wissenschaftlichen Leben teilhaben kann. Planetarien haben als Bildungs- und Kultureinrichtungen eine besondere Verantwortung, ihre Inhalte zugänglich zu gestalten.

Die traditionelle Planetariumserfahrung ist stark visuell geprägt. Der beeindruckende Sternenhimmel, die faszinierenden Nebel und Galaxien – all das spricht primär den Sehsinn an. Doch das Universum ist mehr als nur ein visuelles Erlebnis. Es kann und sollte mit allen Sinnen erfahrbar sein.

Inklusive Astronomie für Menschen mit Seheinschränkungen

Für Menschen mit Seheinschränkungen stellen visuell orientierte Angebote oft eine erhebliche Barriere dar. Planetarien können jedoch durch innovative Ansätze auch für diese Zielgruppe bedeutungsvolle Erlebnisse schaffen. Taktile Sternkarten, audiodeskriptive Führungen und multisensorische Installationen sind nur einige Möglichkeiten, um astronomische Inhalte erfahrbar zu machen.

Besonders wichtig ist dabei die Nutzung des Hörsinns. Klänge können Räume erschaffen, Emotionen vermitteln und komplexe wissenschaftliche Konzepte auf eine intuitive Weise erklären. Ein gut konzipiertes Klangerlebnis kann blinden und sehbehinderten Menschen einen gleichwertigen Zugang zu astronomischen Wundern bieten.

Neurodiversität unter dem Sternenhimmel

Auch für neurodivergente Menschen können traditionelle Planetariumsvorführungen herausfordernd sein. Grelle Lichter, plötzliche visuelle Effekte oder überwältigende Sinneseindrücke können für Menschen mit sensorischen Verarbeitungsschwierigkeiten oder Autismus belastend sein.

Inklusive Planetarien berücksichtigen diese Bedürfnisse durch reizarmere Vorführungen, vorhersehbare, ruhigere Abläufe und alternative Vermittlungsformate. Ruhige, konstante Klanglandschaften können dabei eine beruhigende und dennoch fesselnde Alternative zu visuell intensiven Präsentationen bieten.

ODZALA: Eine Klangreise als Modell für Inklusion

Ein gutes Beispiel für inklusive Planetariumserfahrungen ist unser Projekt ODZALA. Es verbindet einen konstantbleibenden Sternenhimmel mit einer immersiven Klangreise durch die Geräuschlandschaften des Regenwalds. Warum ist gerade dieses Konzept so besonders barrierefrei?

Die Konstanz des visuellen Eindrucks – der gleichbleibende Sternenhimmel – reduziert visuelle Überstimulation, während dadurch gelichzeitig die reiche akustische Landschaft in den Vordergrund tritt. Die natürlichen Klänge des Regenwalds erzählen ihre eigene Geschichte und schaffen eine emotional ansprechende Erfahrung, die nicht vom Sehvermögen abhängt.

Für Menschen mit Seheinschränkungen bietet ODZALA die seltene Gelegenheit, Astronomie und Naturwissenschaft auf eine Weise zu erleben, die ihre Stärken – wie das differenzierte Hören – anspricht, statt sich auf visuelle Eindrücke zu konzentrieren. Gleichzeitig profitieren neurodivergente Besucher:innen von der vorhersehbaren visuellen Umgebung, während sie in die akustische Vielfalt eintauchen können.

Christine Malec, eine erfahrene Beraterin aus der Blindengemeinschaft in Toronto, beschreibt treffend, warum solche klangbasierten Installationen so wertvoll sind:

“Als blinde Person wähle ich sehr bewusst aus, welche Formen öffentlicher Kunst ich konsumiere. Ohne gezielte Anpassungen sind viele dieser Kunstformen für mich nicht zugänglich. Installationen, die fast ausschließlich auf Klang basieren, sind seltene Gelegenheiten für blinde und sehbehinderte Menschen, Kunst ungefiltert und im selben Moment und Raum wie andere Menschen zu erleben. Als Beraterin, die mit Kunstinstitutionen daran arbeitet, ihre Inhalte für ein breiteres Publikum zugänglich zu machen, weiß ich außerdem, dass vor allem klangbasierte Kunst auch für neurodivergente Menschen oder Personen mit sensorischen Verarbeitungsbesonderheiten sehr ansprechend sein kann.”Christine Malec, Beraterin für Barrierefreiheit

Christine Malec (linkedin) lebt als blinde Person in Toronto und arbeitet daran, Kunst- und Wissenschaftsorganisationen dabei zu helfen, ihre Inhalte für blinde und sehbehinderte Menschen zugänglicher zu machen. Sie leitet Musik- und Bildungsgruppen für blinde Erwachsene durch die CNIB Foundation, moderiert ein zweiwöchentliches Segment bei “Kelly and Company” von Accessible Media Incorporated und ist Co-Moderatorin der Podcasts “Talk Description to Me” und “Radio Lumi”. Zudem arbeitet sie als Beraterin mit Audio-Beschreibern für Live-Produktionen und wissenschaftsbasierte Bildbeschreibungen zusammen.

Die Zukunft inklusiver Planetarien

ODZALA zeigt beispielhaft, wie Planetarien zu wahrhaft inklusiven Räumen werden können. Die Kombination aus konstantem Sternenhimmel und immersiver Klanglandschaft schafft eine Erfahrung, die verschiedene Sinne anspricht und unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht wird.

Odzala verzichtet zudem bewußt auf didaktische inhalte, es gibt keinen Sprecher und somit auch keinerlei Sprachbarierre. Die sinnliche Erfahrung der Sterne und die faszinierende Klangwelt der Natur steht im Vordergrund.

Für die Zukunft der Planetarien bedeutet Inklusion nicht nur die Beseitigung physischer Barrieren, sondern auch ein grundsätzliches Umdenken in der Vermittlung. Multisensorische Ansätze, die über das rein Visuelle hinausgehen, bereichern das Erlebnis für alle Besucher:innen – mit und ohne Einschränkungen.

Wenn wir den Kosmos wirklich für alle öffnen wollen, müssen wir erkennen, dass es viele Wege gibt, die Sterne zu erleben und das Interesse an Naturwissenschaft und der Astronomie aufrecht zu erhalten. Projekte wie ODZALA weisen den Weg zu einem inklusiveren Verständnis von Astronomie und Wissenschaftsvermittlung – einem Verständnis, das niemanden zurücklässt und die Vielfalt menschlicher Erfahrungen wertschätzt.


Beitrag veröffentlicht

in

von